Frühlingslager 2022 – Die spinnen, die Eichis

 

Auch wenn ich 1,80 m groß und 25 Jahre alt bin, habe ich mich zumindest zu Beginn des Frühlingslagers eher klein und unwissend gefühlt. Da ich erst später im Leben zur HMP gestoßen bin, war das mein erstes Lager – immerhin war ich damit nicht ganz allein. Außer mir gab es noch einige weitere Menschen mit gelben Halstüchern, junge und ältere. Und obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich machen soll, wurde ich direkt ins kalte Wasser geschmissen – es begann Freitag Nachmittag nämlich schon langsam, zu regnen. Daher haben alle zusammen angepackt, fleißig Jurten und Kothen aufgebaut und ihre Rucksäcke ins Trockene gebracht. Es folgte eine Kennenlernrunde, moderiert von den Honigdachsen. Dabei haben wir über die große Altersspanne auf dem Lager gestaunt und über diverse HMP-Fails gelacht. Anschließend folgte das erste Festmahl, zum Glück war das Wetter gut genug, um draußen zu sitzen. Ich war verwirrt davon, wie und in welche Richtung Essen im Kreis weitergegeben wird, habe mich aber schnell an das Prinzip „in die Runde rufen, wo der Käse bleibt“ gewöhnt. Der Abend wurde mit einem kleinen Feuer und netten Gesprächen beendet.

 

 

Samstag Morgen wurden wir früh geweckt und darüber informiert, dass wir heute Küchendienst hätten und sofort runter zum Essenskreis kommen sollen. Dort angekommen, war die Küche noch nicht bereit für uns. Also nochmal kurz strecken und recken und an die Helligkeit gewöhnen. Nach dem Morgenlob gab es Frühstück. Das dauert echt lange, wenn die Marmelade zu einem ganz anderen Zeitpunkt als das Brot bei einem durchgereicht wird. Nach der Stärkung und den jeweiligen Diensten wurden ein paar Kreas angeboten. Ich habe erst viele Paprikas geschnitten, bevor ich dazu übergegangen bin, Fackeln aus Jutesäcken und Kerzenresten zu basteln. Nachmittags folgte Sport und Spiel, wo ich das Fang-Spiel Barlauf kennen lernte – und nach fünf Runden auch halbwegs verstanden habe. Andere Menschen spielten Kubb oder Burgenkampf.

 

Irgendwann an diesem Tag kam die Durchsage, dass an einer Stelle des Lagerplatzes Eichenprozessionsspinner (kurz: Eichis) gesichtet wurden. Die sind wohl ziemlich giftig und man möchte ihnen lieber nicht zu nahe kommen, okay, registriert.

 

 

Nach dem fabulösen Abendessen Reis mit Scheiß (mittags gab es Topfenknödel, ich durfte alle Klassiker kennenlernen) wurden vier Menschen zu Pfadfinderinnen ernannt – darunter ich! Immer wieder haben wir unseren Verspruch wiederholt, um ihn am großen Tag auswendig zu können. Gemeinsam sind alle zum schön geschmückten Ernennungsplatz gelaufen, haben ihre Kerze im Glas entzündet und gesungen. Das Ernennungsteam hat ein kleines Theaterstück aufgeführt, um zu zeigen, dass wir in der HMP alle irgendwie anders sind – aber trotzdem dazugehören. Nacheinander wurden die vier Menschen ernannt und gefeiert, anschließend haben die gelben Halstücher allen Ehrenamtlichen musikalisch für ihre harte ehrenamtliche Arbeit gedankt. Dabei kam sogar die ein oder andere Träne hoch. Zurück am Lager wurde uns beim Abendlob erklärt, dass es auch okay ist, den gleichen Fehler öfter zu machen. Man lernt jedes Mal ein kleines bisschen dazu und irgendwann macht man den Fehler nicht mehr. Es gab ein feierliches Lagerfeuer mit vielen Gitarren-Experimenten, Gesang und immer wieder „in welchem Buch ist das Lied?! Hat jemand Mal Licht?“-Rufen. Ein weiteres kulinarisches Highlight für mich war der Tschai, ein Früchtetee mit Obst und nach Wahl Nüssen und Rosinen. Natürlich muss vorher bei einer Beschwörung der Geist aus dem Tschai vertrieben werden, was ein Spaß für Klein und Groß war.

 

 

Der Sonntag begann mit Regen, weshalb Morgenlob und Frühstück unter der Theaterjurte abgehalten wurden. Wir haben gelernt: man muss sich nicht immer damit vergleichen, was andere Leute für angeblich tolle Erlebnisse haben. Sondern lieber Mal überlegen, was einem selbst Freude bringt und womit man sich jeden Tag ein bisschen verschönern kann. Meine Stimmung war sowieso schon nicht auf höchstem Level, weil ich vor dem Frühstück keine Zeit für eine Gießkannen-Dusche hatte. Und dann haben wir nach und nach gemerkt, dass die giftigen Eichis doch näher als gedacht sind – nämlich oben auf der Theaterjurte drauf. Daraufhin wurde das Areal großflächig abgesperrt. Während der Großteil des Lagers Spazieren ging, haben sich zehn mutige Menschen den Raupen angenommen. Ausgestattet mit Regenjacken, -hosen, Handschuhen und Masken machte sich unser eigenes Seuchen-Schutzkommando daran, die Eichis von der Jurte runterzuwaschen und zu vergraben. Die Jurte wurde fachgerecht in Müllsäcken verpackt und nach dem Lager noch einmal gereinigt, die Einsatzkräfte durften einmal mit und einmal ohne Regenmontur duschen.

 

Anschließend gab es einen Werkstatt-Gottesdienst, bei dem sich jede:r kreativ einbringen konnte. Das Thema war das Jahresthema der HMP: „Es wäre sehr still im Wald, wenn nur die begabtesten Vögel sängen.“ Da es irgendwann doch noch zu regnen begann, wurde das Abendessen gemütlich in der Holzjurte serviert, später ging es wieder raus ans Lagerfeuer und die selbstgebauten Fackeln wurden ausgetestet.

 

 

Der Montag begann wieder früh und mit einem Morgenlob, in dem wir lernten, dass man nicht alles können muss, und trotzdem einen großen Beitrag leisten kann. Passend zum Jahresthema eben. Alle packten gemeinsam an, um Jurten und Kothen wieder abzubauen und den Lagerplatz ordentlich zu hinterlassen. Zum Abschluss gab es noch ein Bucket Lunch mit großer Auswahl, dann folgte der Abschied und Aufbruch zum Zug zurück.

 

 

Bevor ich auf diesem Lager war, hatte ich keine Vorstellung davon, was genau dort passiert. Ich bin immer noch sehr beeindruckt, dass Jugendliche ein komplettes Lager planen und leiten können, 40 Menschen bekochen und jede:r immer wieder neue Aufgaben übernimmt. Insgesamt herrschte eine so positive und offene Stimmung, dass ich das Gefühl hatte, mich ausprobieren zu können und bei Unsicherheit immer Fragen kann. Ich bin begeistert von der Eigenständigkeit und dem Zusammenhalt der Menschen in der HMP und freue mich, jetzt auch als Pfadfinderin dazu zu gehören. Das FrüLiLa war sicher nicht mein letztes Lager!


(Lena)