Predigt des Kirchenpräsidenten Dr. Volker Jung zum 125-jährigen Jubiläum des EJW

 

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

 

 

2. Korinther 13,13. Mit diesen Worten beschließt der Apostel einen Brief an die Gemeinde in Korinth. Sie werden immer wieder in Gottesdiensten verwendet – oft so, wie ich es jetzt getan habe, als Gruß von der Kanzel. Heute grüße ich Sie mit diesen Worten zum 125-jährigen Jubiläum des Evangelischen Jugendwerkes und gratuliere ganz herzlich zu diesem großartigen Jubiläum. Es ist wunderbar, dass wir das heute so feiern können. Und es ist schön, dass Sie alle mitfeiern.

 

 

Die Worte sollen aber nicht nur Gruß sein. Sie sollen auch das Bibelwort sein, auf das wir an diesem Tag hören wollen. Ich habe es ausgewählt, weil das Jubiläum unter dem Motto steht „125 Jahre Glaube, Gemeinschaft und Begeisterung“. Und genau darum geht es Paulus auch.

 

 

Begonnen hat die Geschichte des EJW mit dem Glauben – genauer mit dem Glauben von Albert Hamel. Er war selbst ein begeisterter Bibelleser und Erzähler. Und er war der Überzeugung, dass junge Menschen miteinander die Bibel lesen sollten. Deshalb gründete er 1898 sogenannte Bibelkränzchen an höheren Schulen. Drei Jahre später gab es dann eine Ferienfahrt nach Liebenzell. Da kam dann beides zusammen: das Bibellesen und die Freizeitarbeit.

 

 

Die Bibel ist ein großartiges und faszinierendes Buch. Sie ist voller Lebens- und Glaubensgeschichten. Die Bibel erzählt, was Menschen mit Gott erlebt haben und was sie geglaubt haben. Wie sie über Gott gedacht haben und geredet haben. Und wie sie mit Gott geredet haben. Es sind die Glaubensgeschichten des Volkes Israel und es sind die Glaubensgeschichten von Menschen, die Jesus begegnet sind. Es geht in den Geschichten um das menschliche Leben in allen seinen Facetten – um die schönen Seiten des Lebens und darum, wie grausam Menschen sein können. Immer wieder geht es darum, welches Unrecht in dieser Welt geschieht. Also um all das, was auch wir zu anderer Zeit und an anderen Orten auch immer wieder erleben. Es geht darum, dass Gott allen Menschenkindern das Leben geschenkt hat – das Leben und diese Welt. Schon das Leben und diese Welt sind Gnade. Das hat niemand von uns sich selbst erarbeitet und verdient. Deshalb redet die Bibel davon, dass es Menschen guttut, Gott zu danken und zu loben. Dabei ordnen wir uns und unser Leben ein und begreifen es als Geschenk aus Gottes Hand.

 

 

Und dann erzählt die Bibel immer wieder darum, dass es Menschen guttut, auf Gott zu vertrauen und auf die guten Gebote Gottes zu hören. Sie sind nicht da, um Menschen zu gängeln. Sie tun gut. Gott will uns zu einem guten Leben miteinander helfen. Das höchste Gebot: „Du sollst Gott den Herrn lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Ja, es ist gut und tut gut, darüber zu reden und das miteinander zu feiern – in Gottesdiensten, auf Freizeiten, in Ferienlagern, in unseren Gemeinden.

 

 

Der eigentliche Grund aber ist dieser: Damit geben wir Gott die Chance, dass Gott mit uns redet. Da erlebt jemand, mal ganz plötzlich oder auch ganz langsam – so, dass man es erst im Nachhinein versteht: Da hat mich etwas berührt. Da hat Gott etwas in mein Herz hineingelegt. Und auch das ist Gnade!

 

 

Wir haben eine Partnerkirche in den USA. Die hat vor einiger Zeit eine Kampagne gemacht mit dem Slogan: God is still speaking – Gott redet noch. Ja, weil Gott redet, ist es gut, die Ohren zu spitzen und die Augen und Herzen zu öffnen.

 

 

Ich bin fest überzeugt: Niemand kann auf Dauer seinen Glauben allein leben. So wie kein Mensch sein Leben alleine leben kann. Das wird ja immer wieder gerne mal gesagt: „Ich habe meinen Glauben. Dazu brauche ich keine Kirche.“ Das mag ja vielleicht sein. Ich würde sagen: Vielleicht nicht die Kirche, vielleicht keinen Verband in der Kirche. Aber Menschen brauchst Du. Ohne Menschen vereinsamst Du. Und ohne Menschen vereinsamt auch Dein Glaube und irgendwann ist er vielleicht weg. Gott hat uns in eine Gemeinschaft von Menschen gestellt, damit Menschen füreinander da sind. Wir können einander miteinander reden, einander zuhören. wir können füreinander da sein. Wie gut ist das, wenn ich jemanden habe, der den Arm um mich legt, wenn ich traurig bin! Wie gut ist es, wenn ich meine Freude mit anderen teilen kann – miteinander lachen, feiern, Party machen! Gott hat uns als Menschen füreinander bestimmt. Deshalb sage ich: In anderen Menschen begegnet uns die Liebe Gottes. Es ist gut, wenn im EJW in Jungschar-Gruppen, in Jugendgruppen, in Pfadfindergruppen, auf Freizeiten Gemeinschaft miteinander gelebt wird. Gute Gemeinschaft ist respektvoll, sie lässt jeder und jedem den Freiraum, den sie, den er möchte. Gemeinschaft soll stärken und nicht vereinnahmen. Und Gemeinschaft darf nicht instrumentalisiert werden. Gemeinschaft muss Sicherheit und Schutz geben. Darauf legen wir mittlerweile zu Recht großen Wert. Wir wissen, dass Gemeinschaft auch ausgenutzt werden kann.

 

 

Es ist übrigens auch gut, sich bei einem Jubiläum mit den schwierigen Zeiten der Geschichte auseinanderzusetzen. Auch die gab es im EJW, als die Jugendarbeit im dritten Reich schnell der Hitlerjugend eingegliedert wurde und auch in Zeiten, in denen autoritäre Strukturen festgehalten wurden. Gute Gemeinschaft stärkt das Vertrauen in Gott und die Menschen! Und gute Gemeinschaft begeistert.

 

Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! So sagt es Paulus. In der Gemeinschaft entsteht ein besonderer Spirit, ein besonderer Geist. Das erleben wir, wenn zusammen gespielt wird. Das erleben wir beim Sport. Das erleben wir, wenn Musik uns packt, wenn wir tanzen, wenn wir feiern. Das ist großartig. Und das braucht unsere Seele. Ist jede Begeisterung gleich der Heilige Geist? Das ist sicher nicht so. Wenngleich ich dem Heiligen Geist viel zutraue. Und der Heilige Geist vielleicht auch manchmal wirkt, wo wir es gar nicht erwarten. Gottes Geistkraft ist eine Kraft, die Menschen stärkt und aufrichtet, die Gemeinschaft stiftet, die den Glauben stärkt. Gottes Geistkraft schenkt vor allem eins: Freiheit! Sie hilft, dass Menschen dem entgegentreten, was Leben zerstört. Sie stellt sich dem Geist des Hasses, der Gewalt und des Unfriedens entgegen. Sie stellt sich dem entgegen, was den Tod bringt.

 

Das ist gerade heute so wichtig. Es geht nicht, wenn Menschen beleidigt und bedroht und beschimpft werden, wenn sie eine andere Hautfarbe haben, wenn sie aus einer anderen Kultur oder eine andere Religion oder Weltanschauung haben. Es geht nicht, dass queere Menschen angegriffen werden. Gottes Geistkraft ist die Kraft des Glaubens und der Liebe – der Liebe Gottes, die allen Menschen gilt. Lasst uns immer wieder neu darum beten, dass uns diese Kraft erfüllt und unserem Leben eine Richtung gibt.

 

 

Das möge uns leiten – heute an diesem Tag. Das möge uns leiten als EJW und EKHN auf unserem gemeinsamen Weg. So segne Gott den Weg in die nächsten 125 Jahre. Und es bewahre uns der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen